Regulationsmedizin Ausgabe 4/1999
Die Schizophrenie - keine einheitliche Krankheit
Bündel aus mindestens drei Störungen /Unterschiedliche Vorgänge und Hirnregionen beeinträchtigt

Schizophrene haben Schwierigkeiten beim Festhalten von frischen Eindrücken im Gedächtnis. Störungen wurden insbesondere im sogenannten Arbeitsgedächtnis festgestellt. Dort werden neue Wahrnehmungen und Informationen so lange präsent gehalten, bis im Langzeitgedächtnis eine dauerhafte Erinnerungsspur angelegt worden ist. Das Arbeitsgedächtnis scheint jedoch nicht bei jeder Schizophrenie gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen zu sein, wie Ralph Ueber von der Universitätsklinik für Psychiatrie in Freiburg herausgefunden hat. Gedächtnisstörungen sind charakteristisch für Patienten, die an Denkzerfahrenheit oder Ausdrucksarmut leiden. Wahn und Halluzinationen hingegen gehen mit einem weitgehend intakten Arbeitsgedächtnis einher.
Der Freiburger Wissenschaftler verglich 70 an Schizophrenie leidende Patienten mit 30 gesunden Personen. In den Tests zeigten die Patienten normale Werte in der Intelligenz und anderen kognitiven Funktionen. Einzig in den Gedächtnistests schnitten sie schlechter ab. In weiteren Tests stellte sich heraus, dass nicht das Arbeitsgedächtnis als Ganzes fehlerhaft war, sondern nur eine seiner drei hypothetischen Kammern.
Dass das Arbeitsgedächtnis aus mindestens drei unabhängigen Kammern zusammengesetzt ist, schließen Neuropsychologen aus Experimenten, in denen die Versuchspersonen zwei Aufgaben gleichzeitig bewältigen mussten. Sie wurden etwa aufgefordert, vorgesprochene Wörter laut nachzusprechen und währenddessen mit einem Stift dem Kurs eines über den Computerschirm trudelnden Punktes zu folgen. Gelingt das passabel, liegt der Schluss nahe, dass die beiden Geistestätigkeiten im Gehirn von unterschiedlichen Modulen gesteuert werden, die parallel arbeiten können. Geraten die Testpersonen hingegen ins Straucheln, so beanspruchen die beiden Tätigkeiten wohl ein und dasselbe Hirnmodul.
Aus solchen Tests schlossen die Wissenschaftler, dass das Arbeitsgedächtnis aus drei Komponenten aufgebaut sein muss - zwei sinnesspezifischen Speichersystemen sowie einer "zentralen Exekutive". Der erste Speicher besteht aus einer phonetischen Schleife: Akustische Eindrücke wie eine mündlich mitgeteilte Telefonnummer werden in einem inneren Monolog ständig wiederholt und so im Gedächtnis präsent gehalten.
Der zweite Speicher hält visuelle Wahrnehmungen für eine Weile im Geiste fest. Er ist etwa beim Schachspielen aktiv gemeinsam mit der dritten Kammer des Arbeitsgedächtnisses, der zentralen Exekutive. Diese Instanz koordiniert die Informationsverarbeitung und greift dort ein, wo automatische Programme nicht weiterhelfen. Auch ist sie dafür zuständig, die mühsam im Bewusstsein festgehaltene Gedächtnisspur in den Langzeitspeicher zu überführen und damit haltbar zu machen. Bei manchen Schizophrenen ist die Koordinationsarbeit der zentralen Exekutive gestört, wie Ueber feststellte. Deren vorgelagerte Instanzen, also der phonetische und der visuelle Gedächtnisspeicher, arbeiten hingegen korrekt.

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