Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 01/2002
Editorial
    Was sind Phytopharmaka?
    Eine persönliche Stellungnahme

    Kürzlich saß ich mit fünf Kollegen zusammen, die medizinischen Fragen gegenüber sehr aufgeschlossenen sind. Sie vertraten die Fächer Innere Medizin, Pharmakologie, Pharmazie und Biologie. Natürlich wurde auch erörtert, welche Rolle Arzneipflanzen bei der Therapie von Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen heute noch oder heute wieder spielen. Es wurde gefragt, was eigentlich Phytotherapie sei. Da ich vor einigen Monaten von Lesern der Zeitschrift für Phytotherapie mit demselben Problem konfrontiert wurde, will ich versuchen, meine zugegebenermaßen sehr persönliche Meinung über dieses Thema zur Diskussion zu stellen.

    Phytotherapie als etablierter Bestandteil der rational, nicht ideologisch geprägten so genannten Schulmedizin bedient sich pflanzlicher Zubereitungen als Pharmakon. Aber was sind pflanzliche Arzneimittel? Bei der Beantwortung dieser Frage gehen die Ansichten oft diametral auseinander.

    Hier meine Meinung: Phytopharmaka oder Phytotherapeutika sind Arzneimittel, die in irgendeiner Weise und im weitesten Sinne von Pflanzen herstammen. Und damit steht folgende Frage im Raum: Welche Rolle spielen Pflanzen als Ausgangsmaterial bei der Gewinnung und bei der Herstellung von Arzneistoffen bzw. von Arzneimitteln? In fünf Bereichen ist dies besonders der Fall:
    • als getrocknete oder als frische Droge
      - Beispiele: Kamillenblütentee, frische Knoblauchzehen;
    • als Extrakt, der als Grundlage für Tabletten oder Dragees dient
      - Beispiele: Johanniskraut- bzw. Ginkgoblätter- Extrakt;
    • zur Isolierung von Wirkstoffgemischen oder Wirkstoffen
      - Beispiele: Valepotriate aus Baldrianwurzeln, Kawa-Pyrone aus Kava-Kava-Rhizomen, Digitoxin aus Digitalis-purpurea-Blättern, Vinblastin/Vincristin aus Catharanthus-roseus- Kraut, Taxol aus den Nadeln von Taxus brevifolia;
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    • zur Isolierung von Reinsubstanzen, die chemisch zu wirksameren Arzneistoffen modifiziert werden
      - Beispiele: Scopolamin zu N-Butyl-Scopolamin- Bromid (= Buscopan), Digitoxin C12-hydroxyliert zu Digoxin, Steroidsapogenine aus Dioscorea zu Steroidhormonen, Morphin methyliert zu Codein;
    • Pflanzenstoffe als Modell für die Entwick- lung neuer Arzneistoffe
      - Beispiele: Dicumarole aus Fabaceen als Vorbild für Antikoagulantien (z.B. Marcumar), Curare-Alkaloide als Modell für Muskelrelaxantien.
    Meines Erachtens sind alle hier aufgeführten Beispiele Phytopharmaka oder Phytotherapeutika, daher Arzneistoffe oder Arzneimittel, die Pflanzen als Grundlage haben. Ich weiß sehr wohl, dass mancher Freund pflanzlicher Arzneimittel mit meiner Definition nicht einverstanden ist; ihm fehlt »das Besondere dieser Therapierichtung«. Natürlich bin ich - entsprechend »audiatur et altera pars« - für bessere Vorschläge offen. Sie müssen nur in einer rational und logisch nachvollziehbaren Definition den Begriff »Phytopharmakon« um- und beschreiben sowie gegen andere Bereiche abgrenzen. Ich darf daran erinnern, dass im Wort Definition der lateinische Begriff »finis - Grenze, Abgrenzung gegenüber« steckt.

    Vielleicht lässt sich ja zwischen den unterschiedlichen Meinungen folgender Kompromiss finden: Die Gesamtheit aller oben aufgeführten Stoffgruppen repräsentiert Phytopharmaka, die beiden ersten Gruppen werden als »Phytopharmaka im engeren Sinne« bezeichnet. Aber auch eine »umgekehrte« Lösung wäre denkbar: Die beiden ersten Gruppen sind »Phytopharmaka«, die übrigen »Phytopharmaka im weiteren Sinne«.
Panorama

Buchbesprechungen
Ginkgo: Urbaum und Arzneipflanze. Mythos, Dichtung und Kunst
(Rez. H. Becker)

Kongresse/Weiterbildung

Originalarbeiten
Klinische Studien mit Hypericum-Extrakten bei Patienten mit Depressionen
V. Schulz

Der Nopal-Kaktus - Opuntia-Arten in der Literaturübersicht
R. Länger

Wirksamkeit und Verträglichkeit eines monographiekonformen Goldrutenkraut-Extraktes bei Patienten mit Reizblase
A. Pfannkuch, U. Stammwitz

Tagungsbericht
Phytotherapie in der Pädiatrie - 16. Schweizerische Tagung für Phytotherapie
G. Pfister-Hotz, B. Meier

Industrie

Aus der Apotheke
Offizinpharmazie und Phytotherapie
Th. Richter

Forum

Im Portrait
Lactuca virosa L. und Lactucarium
I. Funke, W.-E. Siems, R. Schenk, M.F.Melzig

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