Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 02/2002
Editorial
    Was sind Phytopharmaka? Eine Replik

    Mein »Phytopharmaka-Editorial« in der vorigen Ausgabe der »Zeitschrift für Phytotherapie« fand das Interesse manchen Lesers. Immerhin erhielt ich bisher 24 Stellungnahmen zu dieser Thematik. Die weitaus meisten Reaktionen waren zustimmend mit Modifikationen im Detail. Ein Brief hat mir besonders gut gefallen: der von Professor Dr. Volker Schulz. Seine Anmerkungen, die hier als Gasteditorial erscheinen, schreibt er als Arzt und Vorsitzender des Kuratoriums der Gesellschaft für Phytotherapie. Sie machen u.a. eines deutlich: Arzneipflanzen sind mehr als verunreinigte Chemikalien und je nach dem Standpunkt des Betrachters enthalten sie auch unterschiedliche Wahrheiten.
    Franz-C. Czygan, Würzburg

    Drogen, Extrakte, Fraktionen, isolierte Pflanzenwirkstoffe und daraus entwickelte synthetische Analoga ergeben zusammengerechnet mehr als die Hälfte der heute verfügbaren Arzneistoffe. Ein derart weit gefasster Begriff der Phytopharmaka wird der Realität nicht gerecht. Die Inhalte von 22 Jahrgängen der Zeitschrift für Phytotherapie bewegen sich in wesentlich engeren Grenzen. Dennoch ist natürlich diese Frage erlaubt: Warum sollten nicht alle Stoffe pflanzlichen Ursprungs, die nach guter pharmazeutischer Praxis isoliert, entwickelt und zu Arzneien geformt wurden, Phytopharmaka sein?

    Meine knappe Antwort aus ärztlicher Sicht würde lauten: Weil Phytopharmaka zur Phytotherapie verwendet werden! Im Rahmen der Phytotherapie sind neben dem arzneilich wirksamen Bestandteil noch weitere im Bunde, etwa der Arzt, der Apotheker, die Medien, die Tradition und als wichtigster: der Patient. Wie letzterer sich zum Beispiel das Risiko oder Nichtrisiko der Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln vorstellt, ist den Fachkreisen aus regelmäßigen Befragungen des Allensbacher Institutes für Demoskopie bekannt. Dürfen jedoch in einem solchen Umfeld Stoffe wie Digoxin, Scopolamin oder Codein als »pflanzlich« verordnet werden, nur weil der Patient das Wort gern hört? Die Frage stellen, heißt sie zu verneinen! Im Hinblick auf die Therapiesicherheit bestimmt hier allein der Patient, mit der ihm eigenen Verkehrsauffassung zur therapeutischen Breite von Naturheilmitteln, wo für Phytopharmaka finis zu sein hat.

    Eine weitere Besonderheit der Phytotherapie sehe ich darin, dass Synthetika abstrakte, Phytopharmaka dagegen konkrete Begriffe, d.h. Arzneimittel mit Bild und Geschichte, sind. Der Patient kann sich das Abbild der Pflanze vorstellen, der Therapeut kann es ihm zeigen und mit ihm darüber sprechen. Aufbauend auf einer soliden pharmazeutischen Qualität wird ein erfahrener Arzt das damit verbundene positive Image bewusst nutzen, um den rein pharmakodynamisch begründeten Erfolg zu erhöhen. Wie das Beispiel der antidepressiven Pharmakotherapie zeigt, kann auf diese Weise die Effektstärke einer Behandlung auf das Dreifache angehoben werden. Das gilt für ausgewählte Indikationen, in denen die Phytopharmaka den synthetischen Alternativen nicht nur in Bezug auf Verträglichkeit und Compliance, sondern auch hinsichtlich der Entwicklungskosten weit überlegen sein können. Dieser entscheidende Vorteil kann aber nicht vorwiegend mit stofflichen Definitionen, sondern nur im offensiven therapeutischen Vergleich zugunsten der Patienten und der Phytotherapie herausgearbeitet und genutzt werden.

    Erfolgreiche Phytopharmaka sind deshalb in Behandlungsprinzipien eingebunden zu entwikkeln und zu bewerten. Die unverzichtbare Basis bleibt selbstverständlich die stoffliche Definition der verwendeten Drogenzubereitung. Die Spezifikationen sollten sich jedoch in einem methodisch und ökonomisch angemessenen Rahmen bewegen. Differenzierungen von marginaler therapeutischer Relevanz, die nur zur Aufsplitterung und damit Entwertung der klinischen Daten führen, sind mehr schädlich als nützlich. Die Phytopharmaka haben dann eine Zukunft, wenn deren besonderer Wert im Rahmen der Anwendung am Patienten wieder stärker in den Vordergrund gerückt wird. Dabei muss die Scheu überwunden werden, neben den rein pharmakodynamisch bedingten Effekten auch den Beitrag des therapeutischen Umfeldes mit anzuerkennen. Rationale Phytotherapie kann aus meiner Sicht immer nur die Gesamtheit dessen sein, was darunter nützlich beim Patienten ankommt!

    Volker Schulz, Berlin
Panorama

Buchbesprechung
The Desktop Guide to Conmtemplementary and Alternative Medicine
E. Ernst, M.H. Pinter, C. Stevinson, A. White
(Rez. V. Schulz)

Kongresse/Weiterbildung

Originalarbeiten
Einschlafstörungen bei Kindern unter 12 Jahren - Anwendungsbeobachtung
mit hochdosiertem Baldrianextrakt
C. Hintelmann

Noni - fragwürdige Zauberfrucht aus der Südsee
J. Seidemann

Der Beifuß - "Mutter aller Kräuter"
C. Richter

Industrie

Forum

Teufelskralle in der Diskussion
S. Chrubasik

Aus der Apotheke
Mit aut idem gut beraten?
Th. Richter

Im Portrait
Ginkgo biloba: Mythos und Medizin
U. Stuhlemmer

Impressum

zurück  zum Seitenanfang
Naturheilkunde Tagesklinik AG - Deutschhausstr. 28 - 35037 Marburg -
Telefon: 0 64 21 - 69 00 74 - Fax: 0 64 21 - 69 00 72
nhk-ag@gmx.de -  Datenschutzerklärung  -  Impressum