Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 05/2001
Gasteditorial
    Von der Klostermedizin zur modernen Phytotherapie

    Kann es Aufgabe der Medizin- und Pharmaziegeschichte sein, neue »alte« Arzneimittel zu entdecken? Eher nicht. Oder besser: nicht direkt. Diese historischen Disziplinen können aber unserer heutigen Medizin und Pharmazie einen Spiegel vorhalten: Auch ihr seid nur Kinder eurer Zeit und die Revision sicher gedachter Erkenntnisse und Verfahren setzt augenblicklich ein. Jede Zeit stellt ihre Fragen, entwickelt eigene Lösungswege und erhält entsprechende Ergebnisse - auch hinsichtlich des therapeutischen Einsatzes von Pflanzen.

    Die »Forschergruppe Klostermedizin« ist ein gemeinsames Projekt des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg und Abtei, einer Tochter von GlaxoSmithKline. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Heilpflanzen im Kontext der jeweiligen Zeit zu analysieren und die soziokulturell beding-ten Veränderungen ihres therapeutischen Einsatzes im Verlauf von Jahrhunderten aufzudecken. Nicht ausgeschlossen, dass vergessene oder unzeitgemäße Indikationslyrik der heutigen Grundlagenforschung Impulse geben und ihr einen Spiegel vorhalten kann. Noch steckt die Arbeit der Gruppe um Johannes G. Mayer, Gundolf Keil, Franz-C. Czygan und Bernhard Uehleke in den Kinderschuhen. Noch ist es mühsame historisch-philologische Kleinarbeit, die Texte zugänglich zu machen. Aber es gibt auch erfreuliche Zwischenergebnisse, wie das Lorscher Symposium »Von der Klostermedizin zur modernen Phytotherapie« im April diesen Jahres zeigte. Die dort versammelten Altphilologen, Medizinhistoriker, Pharmazeuten und Mediziner spannten einen Bogen von der textkritischen Untersuchung historischer Kräuterbücher über ethnopharmazeutische Aspekte der Missionsarbeit bis hin zu aktuellen Fragen der EU-Harmonisierung des Gesundheitswesens. Dabei ging es auch um die so genannten »traditionellen Arzneimittel« - ihre Tradition und ihre Zukunft: Wie muss die Geschichte einer Arzneipflanze wissenschaftlich aufgearbeitet sein, damit die darin enthaltenen Informationen heute nutzbar gemacht werden können. Statt nur die anerkannten Indikationen, die Rosinen sozusagen, aus der Materia medica und der Physica mit Angaben von Fuchs oder Lonitzer zu mischen, darf der vermeintlich unbrauchbare Rest nicht verschwiegen werden. Wo sind die Überlieferungsstränge, wer schrieb von wem ab und was ergänzte oder strich er dabei? Lässt sich die Indikationslyrik durch eine Sprachanalyse in Hauptindikationsfelder, Nebenwirkungen, unbestätigte Referenzen Dritter und seltene Fälle aufteilen? Die »Forschergruppe Klostermedizin« ist dabei, so etwas wie eine historisch-kritische Phytotherapie methodisch zu entwickeln, die diese Fragen beantworten soll und neue Maßstäbe an die »Traditionellen « setzen könnte.

    Die Beiträge dieser Ausgabe spiegeln dabei nicht unbedingt die Meinung der »Forschergruppe Klostermedizin« oder der Zeitschrift für Phytotherapie und ihrer Herausgeber wider. Sie sind vielmehr Ausdruck einer lebhaften Diskussion, die 2002 auf dem nächsten Symposium fortgeführt werden soll.

    Ralf Windhaber, Würzburg

    PS: Herr Dr. Ralf Windhaber, Jahrgang 1965, ist ein Chemiker, der nicht nur von Biochemie etwas versteht. Kulturhistorisch engagiert, koordiniert und berät er sehr erfolgreich Hochschulgruppen und Industriepartner und organisiert die Veranstaltungs- und Pressearbeit.

    Franz-Christian Czygan, Würzburg
    - Mitherausgeber der ZPT -
Panorama

Buchbesprechung
B. Hohmann, G. Reher, E-Stahl-Biskup:Mikroskopische Drogenmonographien der deutschsprachigen Arzneibücher
Pharmaz. Biologie 3

Kongresse/Weiterbildung

Originalarbeiten
Apotheken- und Medizinalwesen im Barockstift
H.J. Roth

Ethnomedizinische Aspekte jesuitischer Missionstätigkeit in Spanisch-Amerika
S. Anagostou

Ethnopharmakologie heute: Ziele und Aufgaben
M. Heinrich, A. Pieroni

Traditionelle pflanzliche Arzneimittel: Probleme des Wirksamkeitsnnachweises

Die Rolle der Klostermedizin-Forschung im Rahmen der EU-Richtlinie zum "Well-Established Medicinal Use"
A. Müller

Simplicia contra Composita: Zur Ehrenrettung der 'einfachen Arznei' im 16. Jahrhundert
P. Dilg

Das Standardwerk der Klostermedizin: der Macer floridus
J.G. Mayer, K. Goehl

Industrie

Impressum

zurück  zum Seitenanfang
Naturheilkunde Tagesklinik AG - Deutschhausstr. 28 - 35037 Marburg -
Telefon: 0 64 21 - 69 00 74 - Fax: 0 64 21 - 69 00 72
nhk-ag@gmx.de -  Datenschutzerklärung  -  Impressum