Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 05/1999
Editorial
    Moderne Phytopharmaka aus der Apotheke Gottes?

    Da verbreitet die dpa die sensationelle Meldung »Forscher lassen Heilkräuter neu erblühen. Alte Klostermedizin soll aufgearbeitet werden. Expertengruppe gegründet.« Laut dpa wurde vor wenigen Wochen zwischen der Universität Würzburg und der Pharmafirma Abtei eine bundesweit einzigartige »Forschergruppe Klostermedizin« gegründet. »Selbst als ein eingeweihter Forscher ist man erstaunt, wie wenig von den alten Erkenntnissen wissenschaftlich aufbereitet worden ist«, so der Sprecher der Arbeitsgruppe, Dr. Johannes G. Mayer.Offensichtlich ist an der Arbeitsgruppe maßgeblich das Medizinhistorische Forschungsinstitut der Universität Würzburg beteiligt. Als Beleg für die Erfolge dieses Instituts wird auf die wissenschaftliche Überarbeitung und Herausgabe des »Lorscher Arzneibuches« hingewiesen. Tatsächlich ist das Lorscher Arzneibuch eine ergiebige Fundgrube für den Medizinhistoriker, und die Überarbeitung seiner Texte eine anerkennenswerte wissenschaftliche Leistung. Das geplante Forschungsvorhaben ist allerdings nicht so neu und einzigartig, wie es die dpa-Meldung glauben machen will. Bereits 1991 ist von der Kooperation Phytopharmaka, Bonn, unter maßgeblicher Beteiligung des Medizinhistorikers Professor Benedum von der Universität Gießen eine Synopsis der traditionellen Arzneipflanzenkunde von 400 v.Chr. bis 1800 n.Chr. und der modernen, durch wissenschaftliche Untersuchungen gesicherten Phytotherapie entstanden, die in Kürze in der dritten überarbeiteten Auflage erscheint (J. Benedum, D. Loew, H. Schilcher: Arzneipflanzen in der Traditionellen Medizin).

    Hinzuweisen ist auch auf die umfangreiche Arbeit der vom ehemaligen BGA, jetzt BfArM, berufenen Aufbereitungs- und Zulassungskommission E, die während der vergangenen 20 Jahre über 300 Drogenmonographien erstellt hat, in die auch die Erkenntnisse der traditionellen Erfahrungsmedizin eingeflossen sind.

    Die Hoffnung der Mediziner, Pharmazeuten und Historiker, daß die aus der »Apotheke des Mittelalters« mit ihren 450 Kräutern, Bäumen und Sträuchern gewonnenen Erkenntnisse zu modernen Arzneimitteln führen, dürfte sich wohl kaum erfüllen. Selbst wenn sich aus dem Studium der mittelalterlichen Arzneirezepte Hinweise auf bisher wissenschaftlich noch nicht bearbeitete Arzneipflanzen ergeben würden, müßten gemäß den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und deren Überwachung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Durchführung der pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Untersuchungen eines einzigen neu zuzulassenden Arzneimittels Mittel in Größenordnungen von einigen Millionen DM aufgewendet werden.

    Damit ist ein solches Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt, es sei denn, man begibt sich in die Grauzone der traditionellen Phytopharmaka nach §109a AMG. »Diesen Arzneimitteln fehlt in der Regel jedes plausible Erfahrungswissen zur Wirksamkeit. Der Begriff ‘traditionell angewendetes Arzneimittel’ führt beim Verbraucher häufig zu Mißverständnissen«, so Prof. Dr. Keller von der deutschen Zulassungsbehörde (BfArM). Eine solche Entwicklung dürfte der wissenschaftlich begründeten Phytotherapie auch kaum dienlich sein, vielmehr die Position der Kritiker stärken, die in Phytopharmaka generell »Mittel mit umstrittener Wirksamkeit« sehen.

    H. D. Reuter, Köln



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