Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 06/2000
Editorial
    Standardisierung von Phytopharmaka
    Eine rund 40-jährige wissenschaftliche Diskussion


    Seit knapp 40 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema » Standardisierung von Phytopharmaka«. Dies hat sich in rund 60 Publikationen niedergeschlagen, und aus diesem Grund verfolge ich mit großem Interesse die Diskussion über Qualität und Transparenz von Phytopharmaka in der pharmazeutischen Fachliteratur.

    Dabei entsteht bei mir manchmal der Eindruck, dass einige der offiziellen Verlautbarungen, wie z.B. das »Bühler Papier«, als Rechtfertigung verstanden werden, um den von einer Generation wissenschaftlich tätiger Hochschul- und Industrie-Pharmazeuten geprägten und definierten Begriff »Standardisieren« auf nicht quantifizierbare allgemeine und bereits seit dem 1. AMG (1961) selbstverständliche Parameter zu reduzieren.

    Leider entsteht dadurch die Gefahr, dass Phytopharmaka sich wieder verstärkt den Vorwurf einhandeln, Arzneimittel mit nicht reproduzierbarer Qualität und damit auch nicht reproduzierbarer Wirksamkeit zu repräsentieren. Das spezifische Charakteristikum der Phytopharmaka besteht ja gerade darin, dass sie meist keinen einzelnen Inhaltsstoff
    besitzen, der allein für die klinische Wirksamkeit verantwortlich ist. Selbst bei Drogen und Extrakten, für deren Inhaltsstoffe die Aussage »für die klinische Wirkung allein verantwortlich« allgemein akzeptiert wird – wie Atropin bzw. L-Hyoscyamin in Belladonna-blättern und -wurzeln, Silymarin in Mariendistelfrüchten oder L-Kavain in Kava-Kava-Wurzelstock – ist bekannt, dass die isolierten wirksamen Inhaltsstoffe im Vergleich zum jeweiligen Extrakt abweichende Aktivitäten aufweisen können.

    Dies darf nicht dazu führen, dass die als wirksamkeitsmitbestimmend bezeichneten Inhaltsstoffe nicht mehr sachgerecht in die Qualitätsbetrachtungen einbezogen werden, weil sie nicht deklariert werden dürfen. Warum wird gerade in den letzten Jahren eine aufwändige und erfolgreiche Suche nach solchen wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffen in
    Pflanzen durch Hochschulen und Industrie durchgeführt, wenn diese Erkenntnisse kaum oder nur in ungenügendem Maße bei der Herstellung und Deklaration von Phytopharmaka umgesetzt werden? Es darf in diesem Punkt nicht heißen:
    »Nice to know – but no need for use«.

    Um eine reproduzierbare Qualität der Fertigprodukte und damit eine reproduzierbare Wirksamkeit von Phytopharmaka sicherzustellen, sind beim Drogeneinsatz und auf der Stufe der Extraktherstellung entsprechende Maßnahmen der Standardisierung durchzuführen. Dabei sollten die festgelegten Gehaltsspannen so definiert werden, dass sie auch praktikabel sind.

    Als langjähriger Streiter für Qualität bei Phytopharmaka freut mich daher besonders die derzeit bei der Erstellung von Extrakt-Monographien in den USA anlaufende Diskussion. So wurden für Drogen und Extrakte aus Johanniskraut, Brennnessel, Sonnenhut, Ginkgo und Sabal etc. Monographien oder Monographie-Entwürfe der NF-USP veröffentlicht, die beispielhaft sind. Bei der Beschreibung der Spezifikation der Extrakte werden multifaktorielle Aspekte berücksichtigt, auf die bereits im Jahre 1965 von mir hingewiesen wurde und die meiner Meinung nach zu einer reproduzierbaren Qualität eines Phytopharmakons führen können.

    Wenn man in Betracht zieht, dass diese Anforderungen vorerst für Präparate des US-Health-Food-Market als verbindlich gelten, so wäre es fast ein Hohn, wenn diese – ja in erster Linie in Deutschland entwickelten Phytopharmaka – hierzulande einen geringeren Qualitätsstandard aufweisen würden, zumal sie in Deutschland als rationale, verordnungsfähige Arzneimittel eingesetzt werden. Es kann und darf nicht sein, dass wir in die USA Extrakte und pflanzliche Fertigarzneimittel mit höherem Qualitätsstandard liefern müssen, als es hierzulande üblich ist.

    Eine sachgerechte und mit Augenmaß vorgenommene Standardisierung auf wirksamkeits- mitbestimmende Inhaltsstoffe ist ein wesentlicher Qualitätsaspekt für eine reproduzierbare Wirksamkeit. Diese Qualität soll in geeigneter Weise auch für den Verbraucher transparent gemacht werden und sollte wie früher auch deklariert werden dürfen.

    Heinz Schilcher, München

Panorama
Kongresse, Weiterbildung                                                                                         294
Buchbesprechung                                                                                          295,297,298
E. Meyer-Buchtela: Tee-Rezepturen
V. Faust: Blickpunkt Angststörungen, Depressionen, Somatierungsstörungen,
Schlafstörungen

Originalarbeiten
Kombinationspräparat aus Sabal- und Urticaextrakt versus Finasterid
bei benigner Prostatahyperplasie (BPH)
J. Sökeland, C. Walther                                                                                               299

Johanniskraut-Einjahresstudie
W.D.Hübner, K.-H. Arnoldt                                                                                       306

Portrait
Rizinusöl
S. Büechi                                                                                                                        312

Aus der Apotheke
Ein Aktionstag der Phytotherapie
Th. Richter                                                                                                                     320

Konsensuspapier Phytopharmaka
Evidence Based Medicine, Meta-Analysen, Vergleichbarkeit und Wirkstoff-
Freisetzung von Phytopharmaka                                                                               321                                                                                          

Forum                                                                                            324

Phytotherapie International
Phytotherapie in Brasilien
W. Knöss, M. Falkenberg                                                                                           328

Impressum                                                                                                                 339


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