Magazin Bio - Ausgabe 02/2000

Hormon-Therapie

Notwendig? Hilfreich? Gefährlich?
Östrogene, Testosteron & Co und die natürlichen Alternativen

Die Verunsicherung ist allenthalben groß - vor allem bei Frauen in den Wechseljahren. Soll man oder soll man nicht? Werden nicht oft wahre Wunderdinge von diesen Hormonpillen berichtet? Werfen Sie mit BIO-Autor Norbert Messing einen Blick hinter die Kulissen des ebenso lukrativen wie oft leichtfertigen medizinischen Roulettes mit der so genannten HET, der Hormon-Ersatz-Therapie. Und lesen Sie, was die natürlichen Alternativen zu bieten haben

Pro
„Die Langzeitverabreichung von Östrogenen und Gestagenen ist einer der größten Fortschritte der vorbeugenden Medizin der letzten Jahrzehnte“ Deutscher Berufsverband der Frauenärzte

Kontra
„Nach meiner Ansicht werden die künftigen Generationen auf HET (= Hormon-Ersatz-Therapie) und andere verschriebene Hormone wie die Antibabypille als eine der größten medizinische Schnitzer des Jahrhunderts zurückblicken“ Lynne McTaggart, englische Journalistin und Buchautorin

 

Menopause - eine Hormonmangel-Krankheit?

Beim Klimakterium handelt es sich um einen ganz natürlichen Vorgang, nicht etwa um eine Krankheit. In der Vorstellungswelt der TCM (= Traditionelle Chinesische Medizin) beispielsweise bezeichnet man diese Phase einfach als den Beginn des siebenten 7-Jahreszyklus im Lebenslauf. Behandlungsbedürftig sind nicht die hormonellen Veränderungen, die gar nicht aufgehalten werden können, sondern allein spezielle Symptome, die im Zusammenhang damit häufig auftreten, dies aber nicht von vornherein müssen. Alle diese Auffälligkeiten können ausnahmslos (besser) durch andere Mittel als die simple Ersetzung versiegender Hormone behandelt und beseitigt werden. Urplötzlich, glaubt man der herrschenden Lehre, geht es beim Wechsel mit den Östrogenwerten bei der Frau bergab. Der Absturz wiederum, so die gängige Meinung, führt zu Schwindel, Hitzeattacken, Unruhezuständen. Die Frau: ein Opfer der Achterbahnfahrt der Hormone? Tatsächlich spielen sich sehr viel komplexere Vorgänge im weiblichen Körper ab. Es gibt sogar Konstellationen, bei denen während der Wechseljahre ein relativer Östrogen-Überschuss vorhanden ist. Ein richtiggehender ursächlicher Zusammenhang zwischen den Wechseljahrsbeschwerden und Östrogenmangel wurde nie bewiesen. Östrogene werden von Mann und Frau gebraucht. Frau holt es sich nach den Wechseljahren u.a. über den Umweg Nebennieren: Dort gebildetes Testosteron wird im Unterhautfettgewebe zu Östrogenen umgebaut. Dies ist die körpereigene, natürliche und nebenwirkungsfreie Hormon-Ersatz-Therapie.

 

Große Erwartungen - und was dahintersteckt

Eine bloße Forschungs-Hypothese gebärdet sich momentan als Gewissheit. Die Auffassung nämlich, dass künstliche Östrogene der Alzheimer-Krankheit vorbeugen oder „Aussetzer“ des Gedächtnisses zu bekämpfen vermögen, wie ständig in der Regenbogenpresse und Life-Style-Magazinen zu lesen ist. Reine Spekulationen gehen dabei unversehens in den Medien als sicher begründete Tatsachen durch, zumal wenn Spezialisten im Fernsehen verkünden, dass man künstliche Sexualhormone schon „erfolgreich bei der Behandlung von Alzheimer einsetzt“ (so Prof. Ingo Füsgen im Bayerischen Rundfunk).

Die therapeutisch genutzten Hormone

Hormonbehandlungen im Großversuch gibt es bei uns schon lange. Der populärste findet tagtäglich allüberall auf der Welt statt: mit dem Griff zur (Anti-Baby-) Pille. Vor 50 Jahren gelang der entscheidende Schritt im Labor. Zehn Jahre später, 1961, war das Wunderding auch in den deutschen Apotheken. Einer „Hormontherapie“ unterzieht sich jedoch auch mancher anderer Pillen-Schlucker, ohne sich dessen bewusst zu sein: Das Vitamin D3 - große Ausnahme unter den Vitaminen - ist nichts anderes als ein solches Hormon. Ein grundsätzliches Problem bei jeder Hormonbehandlung: Die Antwort, woran es mangelt, weiß oft ganz allein der Wind. Blutuntersuchungen zur Bestimmung des Hormonspiegels gelten nämlich als „notorisch unzuverlässig“. Großes Manko überdies: Es gibt nicht den optimalen, idealen Hormon-Wert schlechthin. Unser hormonell unterfütterter Wohlfühlpegel schwankt von Lebensphase zu Lebensphase und Mensch zu Mensch ganz gewaltig. Und schließlich ist da noch ein schwer zu entkräftendes Gegenargument gegen künstliche Hormone: Es besagt schlicht und einfach, dass durch die Substitution am Ende auch die allerletzten Funktionsreserven zur Eigenproduktion der wichtigen Steuerungssubstanzen erlahmen. Die Drüsen werden „noch träger und fauler“ als schon zuvor.

DHEA

Ein „Renner“ des vergangenen Jahrzehnts. Vor allem in den USA, wo es das Mittel als „Nahrungsergänzung“ praktisch überall rezeptfrei zu kaufen gibt. Glaubt man der Werbung, so hilft der Stoff sowohl gegen Stress wie gegen Übergewicht und Viren.

Melatonin

Ebenfalls eine Modearznei der letzten Jahre. Der Stoff fungiert im Körper u.a. als Radikalfänger und verhindert so Zellschäden und vorzeitiges Altern. Wichtig ist das Hormon für einen normalen Schlafzyklus. Außerdem soll es in der Lage sein, das Immunsystem auf Vordermann zu bringen. Diese speziellen Hormontherapien sollen in einer der nächsten BIO-Ausgaben noch ausführlicher behandelt werden.

 

Pharmabranche im Wechselfieber: Das Klimakterium virile

Die Vorstellung, dass auch der Mann seine Wechseljahre (Klimakterium virile) durchmacht, stammt schon aus dem Jahr 1939. Bestritten wird sie vornehmlich mit dem Hinweis auf die - im Gegensatz zur Frau - bis ins höhere Alter anhaltende Fruchtbarkeit (Zeugungsfähigkeit). Endokrinologen wie Eberhard Nieschlag (Universität Münster) bemerken denn auch zu den „männlichen Wechseljahren“ klipp und klar: Es gibt sie nicht. Trotzdem: Die so genannte „Midlife-crisis“ mit ihrer Mischung aus psychischen und körperlichen Faktoren und Symptomen ähnelt in vieler Hinsicht den Begleiterscheinungen der Menopause.

Dichtung und Wahrheit

Schlagen Sie irgendeine Zeitung oder Zeitschrift auf, seien es nun medizinische Fachblätter, Tagespresse oder Nachrichtenmagazine: Stets werden Sie lesen, dass die „Empfehlungen zur Langzeitbehandlung mit Östrogenen und Gestagenen wissenschaftlich fundiert“ und „positive Auswirkungen im Hinblick auf die Prävention von Krebs, Osteoporose und Herz-Kreislauf-Krankheiten nachgewiesen“ sind. Schlaganfall und Herzinfarkt können, so z.B. Prof. Ernst-Gerhard Loch, durch regelmäßige Hormoneinnahme um mehr als 50 Prozent reduziert werden. Wenn die Fachleute zusammenkommen und ganz unter sich ganz reale Studien auswerten, gewichten, vergleichen und auf dieser Basis Abwägungen vornehmen, dann liest sich alles gründlich anders. So geschehen im vergangenen Jahr bei einem Treffen der Spezialisten (Epidemiologen, Mediziner, Forscher) in Mailand.

 

Krebs - das große Fragezeichen

Die Sache ist einfach nicht wegzudiskutieren: Es gibt bestimmte Krebszellen, deren Wachstum durch die zugeführten hochdosierten künstlichen Hormone stark beschleunigt wird. Krebs benötigt oft mehr als ein Jahrzehnt, bevor die Geschwulst diagnostisch überhaupt nachzuweisen ist. Wer könnte also sicher sein, solche Zellen nicht im Körper zu haben, die durch einen Hormonschub quasi entfesselt werden - selbst wenn bislang kein Befund vorliegt? Die bisherige Forschungssituation ist nach Ansicht von Experten unübersichtlich, das Datenmaterial extrem uneinheitlich. Erst im vergangenen Jahr erbrachte eine Untersuchung erneut deutliche Hinweise darauf, dass permanente Hormongaben (hier war es die „Pille“) Krebserkrankungen auszulösen vermögen (K. McPherson). Prof. Elina Hemminki (Finnland) urteilt deshalb mit Blick auf die HET: „Ich glaube, dass bei dieser Therapie das tatsächliche Risiko von Brustkrebs in Wahrheit viel höher liegt, als es sich aus den Ergebnissen ergibt.“

 

Alternativen: die pflanzlichen Hormone Sie wirken als sanfte Stimulanzien auf das endokrinologische System

Phytoöstrogene sind eine eigene Gruppe von bioaktiven Substanzen und zählen zu den so genannten Sekundären Pflanzenstoffen. Das Bemerkenswerte daran: Sie zeigen sowohl in ihrem chemischen Aufbau wie bei der Wirkung eine enge Verwandtschaft zu den „menschlichen“ Hormonen. Die Effekte sind insgesamt gesehen milder, aber doch deutlich spürbar und auch messbar. Pflanzenöstrogene wirken unter anderem vorbeugend gegen hormonabhängige Krebsarten (Brust- und Prostatakrebs) und können Wechseljahrsbeschwerden mildern. In Japan beispielsweise, wo Tofu und andere phytohormonreiche Kost jeden Tag auf dem Tisch steht, ist die Brustkrebsrate viermal niedriger als etwa in den USA und anderen Wohlstandsländern.

 

Ein hochkarätiges Ensemble: Soja und Leinsamen, die Stars unter den Phyto-Östrogenen

Im Soja sind es vor allem so genannte Isoflavone, die bei den Analysen auffallen. Besondere Bedeutung kommt dem Genistein zu. Es hat sich als wirksamer Krebshemmer erwiesen und verhindert die Ausbreitung von Metastasen, indem es sie quasi „verhungern“ lässt und verhindert, dass Blutgefäße zur Versorgung ausgebildet werden. Einem weiteren Phytoöstrogen in Soja, dem Daidzein, kommen ebenfalls krebshemmende und antioxidative Wirkungen zu. Die Sojabohne ist an Vielseitigkeit schwer zu überbieten, was ihre Verwendungsmöglichkeiten angeht. Dies gilt besonders für daraus gefertigte Zubereitungen wie Tempeh (eine Art Käse), Miso (Würzpaste), Shoyu und Tamari (Sojasoßen), Sojamilch, geröstete Sojabohnen, Soja-Öl, Sojamehl - und natürlich Tofu, den Soja-Quark. Man sieht: Die Liste ist lang (und im Übrigen noch lange nicht vollständig). Mit Soja lassen sich sowohl Fleisch wie auch Milchprodukte ersetzen.

Nähere Informationen erhalten Interessierte über den BIO-Leserservice, 82327 Tutzing, Tel. 08158/8021, Fax 7142. eMail: BIO Ritter@aol.com


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