Erfahrungsheilkunde Ausgabe 02/2002
Von der Alternativen zur Komplementären Medizin
Robert Jütte
Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung
    Zusammenfassung
    Im Jahr 1951 wurden mehrere Ärztegesellschaften von Vertretern der Naturheilkunde sowie der Erfahrungsmedizin ins Leben gerufen, darunter die Ärztegesellschaft für Erfahrungsheilkunde. Diese Ärztegesellschaften sind inzwischen weitgehend in unser Gesundheitssystem integriert und sehen sich in der Regel nicht als Befürworter einer Alternativen Medizin, sondern ziehen die Bezeichnung „Komplementärmedizin” vor. Die Ursprünge dieser Sammelbezeichnung gehen bis in die 1950er Jahre zurück, und zwar auf das Buch eines deutschen Homöopathen (Professor Hans Ritter), das 1954 unter dem Titel „Ergänzungstherapie” erschien. Es verging allerdings eine Zeit, bis dieser Begriff in seiner lateinischen Variante populär wurde. England machte dabei den Anfang. Erst in den 1990er Jahren fand der anglo-amerikanische Begriff „complementary medicine” auch in Deutschland als Re-Import größere Verbreitung.

    Schlüsselwörter
    Alternative Medizin
    Komplementärmedizin
    Naturheilkunde
    Homöopathie
    Ärztegesellschaften
    natur- und erfahrungsheilkundliche Zeitschriften
    Begriffsgeschichte

    Abstract
    In 1951 quite a few medical societies founded by naturopaths and physicians interested in empirical medicine came into being, e.g. the Ärztegesellschaft für Erfahrungsheilkunde. Many of these societies which are nowadays no longer marginalized by the medical establishment, don't consider themselves as advocates of alternative medicine but prefer the label “complementary medicine”. From an etymological perspective the origins of the word complementary medicine can be traced back to a book by a German homeopathic physician (Professor Hans Ritter) published under the title “Ergänzungstherapie” in 1954. However, it took some time, before the new term became popular in its Latinized version “Komplementärmedizin”. England took the lead. It looks likely that in Germany the term “Komplementärmedizin” was reimported from Britain. The first German books with this title were published in the 1990s.

    Keywords
    Alternative medicine
    complementary medicine
    naturopathy
    homeopathy
    medical societies
    medical journals
    history of ideas
Spiritualität und Arzt sein
Paracelsus als Wegbereiter für ein ganzheitliches Verstehen von Gesundheit und Krankheit

Herbert Flaskamp
    Zusammenfassung
    Der rasche Wandel in den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der modernen Medizin hat auch das ärztliche Selbstverständnis in gravierender Weise verändert. Die trotz alledem immer drängender werdenden Probleme unseres Gesundheitswesens, bedingt durch die Entwurzelung der Menschen aus familiären und religiösen Beziehungen und die zunehmende Überalterung, zwingen immer mehr zu einem Umdenken, weg von einer materialistischen Lebensauffassung hin zu einer Spiritualität als Sinngebung für den Menschen.
    Paracelsus, der wegweisende Arzt des Mittelalters, hat in prophetischer Schau diese kommende Entwurzelung des Menschen vorausgesehen und gibt Formulierungen an, wie diese Krise überwunden werden kann - durch eine Andersorientierung des Arztes, der nach seinem Ausspruch „Philosoph, Astronom und Alchemist sein müsse, um die Beziehungen zwischen Mikro- und Makrokosmos verstehen zu können”. Denn keiner ist Arzt „der nicht im Herzen gewachsen ist, aus Gott geht und dessen höchster Anspruch in der Liebe zu den Menschen besteht”.

    Schlüsselwörter
    Spiritualität
    Arztsein
    Paracelsus

    Abstract
    The quick change in the diagnostic and therapeutic possibilities of modern medicine has also seriously changed the way, physicians see themselves. The problems of our health service which become nevertheless more and more urgent, and which are caused by the uprooting of man from family and religious relationships as well as by the increase in the percentage of old people, more and more force us to change our views, away from a materialistic attitude to life and towards a spirituality as imparting meaning for man.
    Paracelsus, the pioneering physician of Middle Ages, has foreseen this uprooting of man prophetically and states, how this crisis can be overcome - by a different orientation of the physician, who should be, according to his statement, “philosopher, astronomer and alchemist”, in order to be able to understand the relationships between microcosm and macrocosm. Because no one is a physician, “who has not been grown in his heart, comes from God, and whose highest pretension consists of the love of man”.

    Keywords
    Spirituality
    being a physician
    Paracelsus
Die Traditionelle Chinesische Medizin ist kein Museum
Peter Reibisch
    Zusammenfassung
    Wie können sich die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und die westliche Medizin gegenseitig fördern? Sollen wir uns zufrieden geben, wenn ein sich gegenseitiges Akzeptieren und Nebeneinander beider Medizinen erreicht ist, oder kann ein lebendiger Austausch entstehen? Die Auseinandersetzung zwischen TCM und westlicher Medizin ist Teil der schon viele Jahre geführten Debatte zwischen Wissenschaftlern, Philosophen, Künstlern und auch Ärzten. Aus den eigenen inneren Widersprüchen hat sich im Westen eine Wandlung entwickelt, die den west-östlichen Diskurs entscheidend befruchten kann.
    Im Zentrum dieser Debatte steht das Problem der im Westen gewachsenen Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Körper und Seele. Zuerst erschütterte die moderne Physik dieses Weltbild im Westen. Wenn in der Psychotherapie bei Freud noch die alte Haltung vorherrscht, so löste sich dies schon bei C.G. Jung und zunehmend in der modernen Psychotherapie auf. In der Philosophie überwindet besonders die Phänomenologie die Trennung von Subjekt und Objekt und wird zur Philosophie des Leibes bei Hermann Schmitz.
    Ich zeige am Beispiel der TCM und den somatopsychischen Vorstellungen von Jochen Gleditsch und am Beispiel der „Initiatischen Therapie” nach Dürckheim Aspekte der Verschiedenheit westlicher und östlicher Grundhaltungen auf.
    In der westlichen Rezeption der TCM ist aus meiner Sicht eine dogmatische Haltung verbreitet. Wer für sein heutiges ärztliches Tun kopierend chinesische Texte übernimmt, ohne die Fragen zu kennen und zu erarbeiten, die der östlich-westliche Diskurs sucht, der schiebt als Filter zwischen sich und den Patienten sowohl dicke, alte Bücher als auch seine unreflektierten Gedanken und Gefühle. Ich nehme die TCM mit ihren wesentlichen Gedanken und Haltungen dann ernst, wenn ich sie nicht kopiere, sondern sie überprüfend, auch verändernd im Heute lebendig werden lasse.

    Schlüsselwörter
    Traditionelle Chinesische Medizin
    west-östlicher Diskurs
    somatopsychische Vorstellungen
    Initiatische Therapie
    Leiberfahrung

    Abstract
    How can TCM and western medicine be combined for mutual benefit?
    Should we rest content, when mutual acceptance and the co-existence of both is attained, or could it be possible that a living exchange will come into existence? The conflict between TCM and western medicine is a part of a years-long debate between scientists, philosophers, artists and physicians. The inner conflicts inherent in this have led to the development of a change in thought in the West that could prove extraordinarily fruitful for the East-West discussion.
    A central part of the debate is the Western separation of subject and object, body and soul. Modern physics first shook the foundations of this conception of the world in the western countries. While the old position still dominates in Freudian psychoanalysis, this had already been given up by C.G. Jung, and in modern psychotherapy it is increasingly on the wane. In philosophy the New Phenomenology in particular has overcome the separation of subject and object, becoming the philosophy of the corporeal in the work of Hermann Schmitz.
    Using the example of TCM and the somatopsychic conceptions of Jochen Gleditsch, and also using the example of the Initiatic Therapy of Dürckheim, I will demonstrate some aspects of the difference between Eastern and Western fundamental positions.
    In my opinion a dogmatic attitude in the Western reception of TCM is widespread. Those who merely imitatively apply Chinese texts for their medical work, without knowledge of the questions which the East-West debate raises, place a filter of heavy old books and of their own unreflected thoughts and feelings between themselves and their patients. I am taking TCM and its essential ideas and attitudes seriously only when I do not imitate it, but rather apply it today as living knowledge, critically and, when necessary, with alterations.

    Keywords
    Traditional Chinese Medicine
    East-West discussion
    somatopsychic conceptions
    Initiatic Therapy
    body experience
Ayur-Veda, die älteste Heilkunde als moderne Ganzheitsmedizin
Hans Schäffler
    Zusammenfassung
    Die Effektivität eines modernen Gesundheitswesen muss sich an der Gesundheit der Bevölkerung und der Kosteneffektivität messen lassen. Nach beiden Kriterien hat das moderne Gesundheitswesen versagt. Die Ursachen dafür sind bekannt. Es wird diskutiert, dass der Ayur-Veda als älteste ganzheitliche Heilkunde beispielhafte Elemente in sich trägt, die von einer modernen Ganzheitsmedizin zu fordern sind. Dazu gehören das ganzheitliche Denkmodell, der individuelle Zugang zum Patienten, der Schwerpunkt der Prävention und ausgezeichnete therapeutische Konzepte.

    Schlüsselwörter
    Ayur-Veda
    modernes Gesundheitswesen
    Ganzheitsmedizin
    Prävention
    ganzheitliche Denkmodell

    Abstract
    The effectiveness of a modern health care system should be measured by its cost effectiveness and by the general state of health of the population. Judged by these criteria, our modern health care system has failed. The causes of this failure are known. This paper discusses, how Ayur-Veda as the most ancient holistic health care system has exemplary features, which are to be demanded from a modern health care system. Amongst these features are: a holistic framework, an individual approach to the patient and excellent therapeutical concepts.

    Keywords
    Ayur-Veda
    modern health care system
    holistic health care
    prevention
    holistic framework
Stress, Adaptation und Vollblutanalyse der Elektrolyte
Jürgen Heines
    Zusammenfassung
    Stoffwechsel- und Abwehrsysteme werden bei externen Belastungen im Rahmen der hormonal-vegetativen Gesamtumschaltung an die jeweiligen Erfordernisse angepasst.
    Je nach Konstitution, Disposition, Reaktionsphase und Dauer bzw. Schwere der Belastung erfolgt diese Umschaltung unterschiedlich weit entweder mehr nach der ergotropen oder nach der trophotropen Seite.
    Infolge der Stoffwechselumstellungen werden auch die Konzentrationen von und die Relationen zwischen intra- und extrazellulären Elektrolyten verändert. Im Vollblut festgestellte Veränderungen im Elektrolythaushalt können demnach als Indikatoren für Qualität und Quantität der Stressverarbeitung herangezogen werden.

    Schlüsselwörter
    Stressreaktion
    Stoffwechselumstellung
    Elektrolythaushalt
    Vollblutanalyse

    Abstract
    In the case of external stress, metabolic and defense systems are adapted to the respective requirements within the framework of the hormonal and vegetative total change-over.
    According to constitution, disposition, reaction phase, and duration or severity of stress, the degree of this change-over differs, it takes place either more into the ergotropic or into the trophotropic direction.
    As a result of the metabolic reorganization, the concentrations of and the relations between the intracellular and the extracellular electrolytes are changed as well. Changes in the electrolyte balance, which were discovered in whole blood, can be used as indicators for the quality and quantity of overcoming stress.

    Keywords
    Stress reaction
    metabolic reorganization
    electrolyte balance
    whole blood analysis

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