Vereins-Newsletter - Ausgabe Nr. 13 II/01
Psychologie der Entgiftung - eine fiktive Krankengeschichte

Bei allen Entgiftungen ist mit Erstverschlechterungen zu rechnen. Diese, falls sie nicht über drei Tage hinaus andauern, sind eher als positiver Beweis anzusehen, daß die Behandlung greift. Es ist wichtig, den Patienten darauf vorzubereiten, denn seine Erwartungshaltungen sind von der allopathischen Industrie geprägt. D.h. der Durchschnittspatient rechnet damit, oder zumindest hofft er darauf, daß durch die Medizin und/oder Behandlung eine sofortige Verbesserung eintritt. Ist das nicht der Fall, wird er unwillig.

"Den Willigen führt das Schicksal - Den Unwilligen schleift es." (Marc Aurel)

Unwilligkeit, der Adam aller Therapieblockaden, hat ernste Gründe, denn wer läßt sich schon angesichts einer besseren Alternative gerne schleifen? Da die besseren Alternativen meisten recht offensichtlich sind, jedenfalls für Nichtbetroffene, stellt sich die Frage, warum sie der Patient nicht sehen kann, oder wie manche behaupten, nicht sehen will. Die Ursachen der Unwilligkeit sind in beiden Fällen (nicht können & nicht wollen) psychologischer Natur, nämlich Unwissenheit, Angst, Theorieverliebtheit und Sammelleidenschaft. - Dazu ein kleine Geschichte.
  1. Unwissenheit: Ein chronisch Kranker ist anfangs von seiner Krankheit überrascht, obwohl eine chronische Krankheit eigentlich nicht überraschend entstehen kann. Sie muß langsam gewachsen sein, aber wurde so lange wie möglich "übersehen", und zwar so lange bis die Ernsthaftigkeit der Symptome ein Übersehen unmöglich macht. Der Kranke ist unwissend, fühlt das auch, und sucht Hilfe bei jemandem, der weiß. Die Typische Einstellung ist "Ich weiß wirklich nicht, warum ausgerechnet mir so etwas zustoßen muß. Andere leben doch viel ungesunder und sorgloser als ich. Das ist einfach ungerecht." In diesem Stadium ist es dem Kranken nur sehr schwer möglich, seinen Eigenbeitrag zur Krankheit zu erkennen. Er fühlt sich nicht verantwortlich und möchte eigentlich auch nichts über seine Krankheit wissen, sondern nur wie er wieder schnellst möglichst gesund gemacht werden kann.
  2. Angst/Aggressivität: Folgt der Patient der den therapeutischen Anweisungen, so erfährt er eine Verbesserung (vorausgesetzt die Anweisungen waren richtig). Da der Erfolg mit dem Unterlassen alter Gewohnheiten zu tun hat, wird die Mitschuld an der Krankheit offensichtlich. Vor allem aus Angst vor den Konsequenzen weiteren Fehlverhaltens beschließt er sich zu disziplinieren. Er nimmt die Anweisungen des Therapeuten immer ernster bis hin zum Fanatismus. Der Patient akzeptiert den Therapeuten als kompetenten Befehlsgeber. Er fühlt sich meist berufen, die Maßnahmen, die ihm geholfen haben, weiterzuverbreiten. Typischerweise drängt er ohne Diskriminierung diese Maßnahmen allen Freunden und Bekannten auf. Auch bei sich selber schießt er irgendwann über das Ziel hinaus und erfährt die damit verbundene Verschlechterung. Speziell wenn er von seinem (erfahrenen) Therapeuten davor gewarnt wurde, bleibt ihm nichts weiter übrig, als die Verantwortung für die Verschlechterung sich selbst zuzuschreiben.
  3. (Theorie-)Verliebtheit: Die dritten Phase wird von der zunehmenden Eigenverantwortung des Patienten charakterisiert. Er versucht jetzt die Zusammenhänge zu verstehen und sieht ein, daß alle Menschen verschieden sind und daher jede Behandlungsmethode individualisiert werden muß. Ihm werden auch die eigene Rolle und die Grenzen des Therapeuten innnerhalb dieses Individualisierungsprozesses bewußt. Er verschiebt seine Autoritätsgläubigkeit vom Therapeuten auf das Behandlungssystem und "verliebt" sich in die zugehörige Theorie(n). Der Therapeut ist jetzt eher ein Freund, eine beratende Informationsquelle, mit der man die Behandlung zwar durchdiskutiert, aber der man nicht mehr die Entscheidungsgewalt überträgt. Im Verlauf dieser Phase ertappt sich der Patient irgendwann dabei, daß er die Interpretation seines Biofeedbacks zum Wohle seiner Lieblingstheorie verbogen hat. Da ihm dies schadet, nimmt er sich für die Zukunft fest vor, praktischer zu sein.
  4. Sammelleidenschaft: In der nächsten Phase ist der Ansatz gegenüber der Krankheit rein pragmatisch und experimentell. Was hilft wird gemacht, und was nicht hilft wird beiseite gelassen. Der Therapeut wird zum Partner, dessen sehr geschätzte Meinung ernst, jedoch nicht für bare Münze geniommen wird. Es besteht die Tendenz zum Sammler "guter" Methoden zu werden und sich und andere damit überzutherapieren. Da die Gesundheit mittlerweile mehr oder weniger wiederhergestellt ist, schleicht sich langsam Achtlosigkeit und eine happy-go-lucky Einstellung ein, die auf lange Sicht gesehen einem neuen Problem die Möglichkeit gibt, sich in eine chronische Krankheit auszuwachsen.
In jedem Patienten dominiert einen der obigen vier psychologischen Therapieblockaden wegen der dazugehörigen "Mentalität".
  • Bevor man damit anfängt, an diesen Geisteshaltungen herumzuschnitzen, prüfe man, ob sie sich nicht im Sinne der Therapie ausnutzen lassen.
  • Therapieblockaden, solange sie intakt sind, sorgen für einen optimalen Placebo-Effekt (häufig die wichtigste Komponente einer Behandlung).
  • Spielt der Therapeut die ihm durch die Patientenmentalität zugedachte Rolle, d.h. wissender Vater, Autoritätsperson, Freund oder Partner, so bleibt die Erwartungshaltung des Patienten, von der das Ausmaß des Placebo-Effektes proportional abhängt, intakt. "Ein guter Erzieher erlaubt seinem Schützling, die richtigen Fehler zu machen." (der Urheber des Zitates ist mir leider entfallen).
Nur wenn eine Geisteshaltung schon wackelt und der Übergang in die nächste bevorsteht, kürzt ein direkter Angriff auf die spezielle Unwilligkeit (Geisteshaltung) die Umbruchphase ab. - In jeder Umbruchphase ist Überzeugtheit von sich selbst und der damit stehende/fallende Placebo-Effekt klein. Sie sollte daher möglichst kurz sein.

zurück  zum Seitenanfang
Naturheilkunde Tagesklinik AG - Deutschhausstr. 28 - 35037 Marburg -
Telefon: 0 64 21 - 69 00 74 - Fax: 0 64 21 - 69 00 72
nhk-ag@gmx.de -  Datenschutzerklärung  -  Impressum