Zeitschrift für Phytotherapie - Ausgabe 04/2001
Editorial
    Flagge zeigen!

    Zunächst möchte ich für das Vertrauen und die Anerkennung danken, die ich mit dem Angebot, Mitherausgeber der Zeitschrift für Phytotherapie zu werden, verbinde.

    Gerne würde ich mit Überzeugung Perspektiven einer erfreulichen Zukunft für »rationale« Phytopharmaka aufzeigen, aber das fällt mir schwer.

    Die Situation ist paradox: Noch nie gab es so viele brauchbare wissenschaftliche Untersuchungen zu Wirkung und Wirksamkeit pflanzlicher Zubereitungen und trotzdem ist das Weiterbestehen einer wissenschaftlich begründeten Therapie mit Phytopharmaka in Deutschland fraglich geworden. Das hat m.E. verschie- dene Ursachen:

    Da gibt es die Unbelehrbaren, die wissen, dass Phytopharmaka nicht wirksam sein können. Diese »Erkenntnis« bedarf keiner kritischen Überprüfung, sie ist deshalb auch durch keinerlei Befunde zu erschüttern. Diese Klientel entzieht sich einer sachlichen Diskussion, eine gezielte Aufklärung scheint mir nicht sinnvoll. Dann gibt es die professionellen Warner, die sich berufen fühlen, von Zeit zu Zeit auf die Toxizität unterschiedlicher Phytopharmaka hinzuweisen. Selbstverständlich müssen Hinweise auf toxische Effekte oder Interaktionen von Phytopharmaka sorgfältig und gewissenhaft überprüft werden. Aber die Berichterstattung sollte angemessen kritisch sein und nicht statt Objektivität unverhohlene Freude widerspiegeln. Wenn praktische Ärzte oder Apotheker jetzt wiederholt fragen, ob sie denn Johanniskraut- Zubereitungen überhaupt noch empfehlen könnten, wobei häufig Interaktionen mit toxischen Effekten verwechselt werden, dann ist die Aufklärung sicher nicht richtig angekommen.

    Ein wesentlicher Punkt, der mir Sorge macht, dürfte seine Ursache in dem mangelnden Nationalbewusstsein der Deutschen haben, was zu einer Überschätzung von Ergebnissen und Bewertungen aus dem Ausland führt. Obwohl Deutschland führend ist auf dem Gebiet der Phytotherapie, wird jede Meinungsäußerung zu Phytopharmaka oder jedes Ergebnis z.B. aus den USA ganz anders gewichtet als gute Befunde deutscher Arbeitsgruppen. Das letzte Beispiel dafür war die Reaktion auf die klinische Studie zu Johanniskraut in den USA bei Patienten mit schwerer Depression, die in einer renommierten Zeitschrift publiziert wurde und bei der sich kein Unterschied zu Placebo ergab.

    Die Konsequenz war zunächst nicht: »Bei schwerer Depression (keine Indikation für Johanniskraut) und einem offensichtlich sehr therapieresistenten Kollektiv wirkte Johanniskraut nicht«, sondern: »Johanniskraut ist unwirksam.«

    Dieses eine negative Ergebnis einer Studie in den USA wurde weder durch die positiven Ergebnisse mehrerer Placebo-kontrollierter Studien noch durch das einer Metaanalyse aufgewogen. Hinterfragt wurde nicht, warum die Firma Pfizer überhaupt eine solche Studie initiierte, obwohl sie kein Hypericum-Präparat, wohl aber Serotonin-Wiederaufnahmehemmer vermarktet. Diese Reaktion zeigt einmal mehr, dass wir uns unseres Kenntnisstandes auf dem Gebiet der Phytotherapie bewusst werden müssen und alles tun sollten, um diesen Stand zu halten und fortzuführen. Wir müssen versuchen zu vermitteln, welchen Vorteil es bedeutet, Präparate guter pharmazeutischer Qualität mit dem Nachweis der Wirkung und der klinischen Wirksamkeit zu nutzen. Dieses Selbstbewusstsein werden wir im Rahmen der Europäischen Einigung auch brauchen.
Panorama

Buchbesprechung
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (Hrsg.): Pilzvergiftungen. Eine Informationsbroschüre (Volltext)

H.D. Reuter: MSD-Manual der Diagnostik und Therapie (Volltext)

Kongresse/Weiterbildung

Originalarbeiten
Feldanbau chinesischer Heilpflanzen
U. Bomme

Neue Arzneipflanzen
H. Warzecha

Von der Diabetestherapie mit Glucobay® zur alternativen Krebsbehandlung mit Mistelextrakt
H. Rüdiger, S. Gabius, H.-J. Gabius

Tagungsberichte
6. Internationales ESCOP-Symposium (II)
H.D. Reuter

Aus der Apotheke
»Evidence-based Phytomedicine«
Th. Richter

Forum

Industrie

Im Portrait
Cinchona-Arten
J. Hermann

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