Naturheilpraxis - Ausgabe 06/2001
Depression und Ess-Störung
von Rosemarie Schuckall

Wer sich therapeutisch mit Ess-Störungen auseinandersetzt, hat es in aller Regel auch mit einer mehr oder minder verdeckten Form einer Depression zu tun. Dabei hat die Ess-Störung entweder die Funktion, die Depression zu maskieren, zu unterdrücken oder sie kommt als latentes Symptom gemeinsam mit der essgestörten Symptomatik zum Tragen. Dass die Depression bei einer Ess-Störung direkt im Vordergrund steht, ist der eher seltenere Fall. Sowohl die Depression wie auch die Ess-Störung sind für sich selbst genommen starke autoaggressive Kräfte, die in gewisser Weise synergistisch wirksam sein können. Es muss betont werden, dass es ein außerordentlich schwieriges Unterfangen sein kann, die tatsächliche komplexe seelische Gestimmtheit zu eruieren, in der sich das depressive Element verborgen innerhalb der Symptomatik der Ess-Störung ausdrückt. Gesamt bedeutet dies ein malignes Zusammenspiel, bei dem eine therapeutische Destillation mitunter recht schwierig ist. Gelangt die Depression aktuell in den Vordergrund, äußert sie sich nicht selten in Suizidwünschen, Selbstverletzungen und anderen, zum Teil heftig destruktiven Handlungen, die der Patient an sich und seiner Umgebung vornimmt. Ist dagegen die somatische Komponente fokussiert, wie dies in der Regel bei der typischen Anorexie, bei der Bulimie, bei Binge eating disorder der Fall ist, u.U. auch im bestimmten Fällen von der Adipositas, bedeutet dies für den Therapeuten, sich mit dem Patienten auf die Suche nach den laviert depressiven Anteilen zu machen und diese therapeutisch intensiv zu thematisieren. Zunächst scheint es wichtig, sich über die Depression und ihre typischen Erscheinungsformen und Mechanismen klar zu werden, um sie dann im Kontext der Ess-Störung verstehen zu können.
Nach der Definition des ICD-10 wird die Depression in unterschiedliche Schweregrade, Formen und Unterformen eingeteilt. Und zwar in leichte, mittelgradige und schwere Episoden, ohne und mit psychotischen Symptomen. Schon bei einer leichten depressiven Episode leidet der Betreffende unter seinen Symptomen und hat Schwierigkeiten, seine normale Tätigkeiten und seine sozialen Aktivitäten adäquat fortzusetzen, gibt aber seine alltäglichen Aktivitäten nicht vollständig auf.
Die allgemeinen Kriterien für eine depressive Episode sind erfüllt, dann wenn mindestens zwei der drei folgenden Symptome vorliegen:
  1. Depressive Stimmung in einem für die Betroffenen deutlich ungewöhnlichen Ausmaß, die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, im wesentlichen unbeeinflusst von den Umständen und mindestens zwei Wochen anhaltend;
  2. Interessen- oder Freudeverlust an Aktivitäten, die normalerweise angenehm waren;
  3. Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit;und eine oder mehr zusätzliche der folgenden Symptome bis zu einer Gesamtzahl von vier Symptomen:
  1. Verlust des Selbstvertrauens oder Selbstwertgefühles;
  2. Unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle;
  3. Wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid, suizidales Verhalten;
  4. Klagen über/oder Nachweis eines verminderten Denk- oder Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit:
  5. Psychosomatische Agitiertheit oder Hemmung (subjektiv oder objektiv);
  6. Schlafstörungen jeder Art;
  7. Appetitverlust oder gesteigerter Appetit mit entsprechender Gewichtsveränderung;

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