Naturheilpraxis - Ausgabe 06/2001
Depression und körperliches Symptom
von Eva-Luise Berbig

Es ist allgemein bekannt, dass Depressionen häufig mit körperlichen Symptomen einher gehen. Die körperlichen Reaktionen sind mehr oder weniger stark ausgeprägt und reichen von leichten Beschwerden bis zu gravierenden Beeinträchtigungen. Oftmals sind es erst die Körpersymptome, die den Patienten veranlassen, zum Arzt zu gehen. Es finden dann verzweifelte Bemühungen statt, eine organische Ursache zu finden, die eine schlüssige Erklärung für die Beschwerden des Patienten bietet, teilweise mit aufwendiger Diagnostik unter Hinzuziehung von Fachkollegen etc. Die zu Grunde liegende Depression ist häufig schwer zu erkennen, zumal viele Patienten auch nicht von sich aus über ihre seelischen Befindlichkeitsstörungen zu sprechen wagen.
Früher unterschied man zwischen organischen bzw. symptomatischen Depressionen, endogenen Depressionen, neurotischen und reaktiven Depressionen. Nach neueren Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) und der American Psychiatric Association (DSM III- R und DSM IV) gibt es diese Unterscheidungen nicht mehr, Depressionen werden nur noch nach Schweregrad und danach differenziert, ob sich Phasen abgrenzen lassen oder nicht. In der ICD-10 sind die depressiven Störungen der Gruppe der affektiven Störungen zugeordnet, nicht den übrigen neurotischen und psychosomatischen Störungen. Bei vielen Klinikern bestehen große Vorbehalte gegenüber den stark durch die descriptiv und biologisch orientierte Psychiatrie geprägten Diagnoseklassifikationen, weshalb oft weiterhin, zumindest intern, die früher gängigen Unterscheidungen zwischen organischer, endogener, neurotischer und reaktiver Depression getroffen werden.
15 bis 30 % aller Erwachsenen machen irgendwann im Laufe ihres Lebens klinisch manifeste depressive Episoden mittleren Schweregrades durch. Neurotische und reaktive Depressionen sind dabei ca. 10 mal so häufig wie die endogenen und psychotischen Depressionen. (Will, 2000).
Depressionen sind also ein häufiges Krankheitsbild. Da die Symptomatik sehr vielfältig sein kann, sind depressive Patienten in den Arztpraxen aller Fachrichtungen anzutreffen, nicht nur beim Psychiater.
Das psychische Leitsymptom der Depression ist die traurige Herabgestimmtheit. Sie geht einher mit Niedergeschlagenheit, Bedrücktheit, Resignation, Trostlosigkeit, gelegentlich leisem Vor – sich – hin – weinen, manchmal auch Verzweiflungsausbrüchen und Weinkrämpfen. Auch die Unfähigkeit zu trauern bzw. zu weinen kommt vor („tränenlose Trauer“). Hierzu gehört ein Gefühl der emotionalen Versteifung und Erstarrung. Weitere psychische Symptome sind Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Energielosigkeit, Lustlosigkeit, Passivität und Apathie. Diese Symptome sind gelegentlich begleitet von einer inneren Unruhe und Erregung, die als besonders quälend erlebt wird, da sie auf Grund der Antriebsstörung kaum abgeführt werden kann. Fast immer treten Konzentrationsstörungen auf sowie Denkstörungen mit einer Verlangsamung und Hemmung des Denkens, das umständlich, zähflüssig und einfallsarm oft nur um wenige Themen kreist. Die Denkstörungen können so stark ausgeprägt sein, dass sie wie ein dementieller Abbau imponieren. Nicht selten ist die „Leere im Kopf“ mit Grübelzwängen und Gedankenkreisen vergesellschaftet. Depressive sind mutlos, verzagt und pessimistisch, sie neigen zur Überbewertung von Problemen, sehen sich, ihre Umgebung und die Zukunft nur noch schwarz und leiden unter einer oft sehr ausgeprägten Entscheidungsunfähigkeit und Entschlusslosigkeit. Verarmungsideen und Schuldgefühle sind häufig und können sich bis zur Wahnhaftigkeit steigern. Gleiches gilt für hypochondrische Befürchtungen bzw. Überzeugungen.
Auf der Beziehungsebene neigen Depressive oft zum Rückzug, manchmal auch zur Anklammerung. Sie sind beeinträchtigt durch ihre Gefühlsverarmung mit Nachlassen der Schwingungs- und Erlebnisfähigkeit. Oftmals registrieren die Betroffenen diese zunehmende Distanz zur Umwelt ängstlich, fühlen sich wie unter einer Glasglocke, haben dabei jedoch eine Anspruchshaltung auf viel Zuwendung und Liebe, was oft zu Enttäuschung, Vorwürfen und Konflikten führt.
Ein sehr wichtiges, weil sehr gefährliches Symptom ist die häufig bestehende Suicidalität. Es können vage Todeswünsche vorhanden sein, aber auch konkrete Planungen. Gelegentlich kommt es auch zu raptusartigen Suicidversuchen ohne vorherige Planung.
Das somatische Erscheinungsbild der Depression ist ebenfalls sehr vielschichtig, die Symptome können nahezu jedes Organsystem betreffen. Faust (1995) berichtet über folgende Beschwerdebilder:
Schlafstörungen mit Ein- und Durchschlafstörungen trotz Müdigkeit, frühes Erwachen mit Morgentief, unruhiger, zerhackter Schlaf mit schweren Träumen. Tagsüber sind die Patienten meist müde und rasch erschöpfbar, flüchten oft ins Bett und grübeln, können jedoch nicht schlafen.
Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust, gelegentlich auch Appetitzunahme bis zum Heißhunger, häufig auf Süßigkeiten.
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