Naturheilpraxis - Ausgabe 09/2001
Ayurveda – Das Wissen vom Leben
von Esther Maué

Zur Geschichte und Philosophie
Vor etwa 5000 Jahren, am Fuße des Himalaya-Gebirges, im Flusstal des Indus im Norden Indiens, entstand die Gesundheitslehre des Ayurveda. Dort lebte eine fortschrittliche und sehr wohlhabende Gesellschaft, die der „Göttlichen Mutter“ diente und deren Weise in die Berge zogen, um sich mit dem Phänomen der Krankheit und deren Auswirkungen auf das Leben zu beschäftigen.

Die Überlieferung besagt, dass ihnen der Gott Attreya erschien, um ihnen die notwendigen Informationen und Erkenntnisse mit zu teilen. Aus diesen göttlichen Eingebungen entstand das ganzheitliche Heilverfahren, das uns heute als Ayurveda bekannt ist. Zunächst wurden die Prinzipien des Ayurveda durch Gesänge und Verse überliefert. Der erste schriftliche Text, der auch heute noch erhalten ist, wurde durch den ayurvedischen Lehrer Charaka, 700 vor Christus geschrieben. Die Texte der vedischen Literatur, die die Grundlage der indischen Philosophie, Wissenschaft und Heilkunst bildet ist also auf einer ununterbrochenen Tradition gegründet, die bis in die heutige Zeit noch den Großteil der Bevölkerung als Lebensrichtlinie dient. Recht schnell hat sich aber die ayurvedische Heilkunde weit über die Grenzen des Subkontinentes verbreitet und andere Kulturen wie Ägypten, Persien, China, Ceylon und Tibet mitgeprägt. Von Hippokrates wird berichtet, dass auch er ein Anhänger der Lehre des Ayurveda gewesen sei.

Es war nicht immer einfach, dieses Wissen zu schützen, denn Kolonialmächte wie die Engländer in Ceylon verbaten rigoros die Ausübung dieser Heilkunst. Auch den Kommunisten waren die Weisheiten der ältesten Medizin ein Dorn im Auge.

Ayurveda ist die Kunst, gesund zu leben und sanft zu heilen. Der Name setzt sich aus altindischen Sanskritwörtern zusammen: Ayur heißt Leben auch Lebensspanne und Veda bedeutet vollständiges Wissen. Ayurveda verkörpert somit das vollständige Wissen vom langen und gesunden Leben.

Diese ganzheitliche Gesundheitslehre ist deswegen so komplex, weil sie alle, das Leben betreffende Gesetzmäßigkeiten mit einbezieht, unabhängig von Zeit und Kultur. Es ist die Natur des Lebens selbst, die Ayurveda beschreibt. Unser westliches Denken und Bewusstsein, das durch ein mechanistisch, rational-logisches Verständnis geprägt ist, fällt es schwer, das zirkuläre Denken des Ostens, das alle Aspekte menschlichen Lebens einbezieht nachzuvollziehen. Viele Schätze spirituellen Wissens sind uns Westlern verloren gegangen.

Auch, wenn auf den folgenden Seiten Teilbereiche der ayurvedischen Medizin erklärt werden, sind sie immer nur im Kontext des Ganzen wirklich zu verstehen.

Nach Auffassung der ayurvedischen Lehre liegt der wahre Ursprung dieser universellen Heilkunde nicht in Asien, nicht in medizinischen Texten und nicht in der Überlieferung einer alten Kultur, sondern im Inneren eines jeden Menschen, im tiefsten Ursprung seines Seins, seiner Empfindungen und seines Bewusstseins. Dort ist das Veda für jeden Menschen zu finden, die Dimensionen der sich wandelnden kosmischen Gesetzte, der absoluten Stille und die zeitlose Intelligenz der Natur. Das Zentrum des tiefsten Bewusstsein wird als die Quelle aller Weisheit und allen Wissens angesehen. Die ayurvedische Lehre will den Menschen zu diesem innersten Kern führen, sodass sich eine Verschmelzung mit den kosmischen Prinzipien erreichen lässt. Davon ausgehend wird ein natürliches Gespür für die Gesunderhaltung, für eine Heilung und für krankheitsverursachende Faktoren, geschaffen. – Ein Weg wird erschlossen: Heilung durch Selbstheilung. Dabei wird der Mensch als eine untrennbare Einheit von Körper, Geist, Seele, Verhalten, Lebensart, Ernährung und Umwelt gesehen. Es ist doch eine abendländliche Unart, diese Einheit durch Ignoranz der lebendigen Wechselwirkungen zu zerteilen. Im Ayurveda geht es im Besonderen darum, diese Einheit aufrecht zu erhalten und wenn sie verloren gegangen ist, wieder aufzubauen.

Früher gab es in einer jeden größeren Gemeinde einen ayurvedischen Arzt. Er wurde voll bezahlt, so lange seine Gemeindemitglieder alle gesund blieben. Erkrankte ein Mitglied, wurde prozentual sein Lohn gekürzt. So ist auch die Philosophie zu verstehen. Es ging und geht in erster Linie um die Gesunderhaltung der Menschen im Einklang mit Natur und Universum und nicht um eine Symptombekämpfung im Erkrankungsfall. Mittlerweile hat sich aber die ayurvedische Medizin weiterentwickelt und weiß, auch im Krankheitsfalle zu behandeln bzw. die Balance des gesamten Systems wiederherzustellen.

Unter den dynamischen Wechselbeziehungen wird z.B. das Phänomen verstanden, dass es durch ein emotionales Ungleichgewicht zu körperlichen Erkrankungen kommen kann, oder bestimmte Umweltbedingungen zu krank machenden Verhaltensweisen führen können.

Bewusstseinsfördernde Übungen wie Meditation, Yoga, Musiktherapie, Farb- und Aromatherapie haben bei der ayurvedischen Behandlung eine zentrale Bedeutung. Es ist ein Weg, um das vedische Wissen in sich selbst zu finden und zu leben. Tiefe geistige und körperliche Ruhe fördert die Regeneration des Organismus.

In den alten Schriften sind detaillierte Beschreibungen verschiedenster Fachrichtungen der medizinischen Behandlung zu finden. Nicht nur chirurgische Eingriffe waren selbstverständlich, aber nur, wenn nichts mehr anderes half, sondern auch das Fachgebiet der Inneren Medizin, der Kinderheilkunde, Hals – Nasen – Ohren und – Augenheilkunde, Psychiatrie, Chirurgie und Rhinoplastik, Toxikologie, Verjüngung und Langlebigkeit und die Aktivierung der Zeugungskraft.

Die Grundphilosophie des Ayurveda bezüglich Diagnose und Behandlung basiert auf den fünf Elementen, Äther (Raum), Luft, Feuer, Wasser, Erde und den davon abgeleiteten drei sogenannten Doshas, Vata, Pitta und Kapha. Die Doshas sind die drei Grundbioenergien, universelle Prinzipien, die Natur und Menschen durchfließen. Sie steuern in unserem Organismus als Bioregulatoren alle Funktionen von Körper, Seele und Geist. Sie geben über die Konstitution, die individuelle Natur des Menschen und über seine derzeitige gesamte Verfassung, Auskunft.

Die Rasas (Geschmacksrichtungen) wie süß, sauer, salzig, scharf, bitter, herb, Nahrung, die erhitzt und Nahrung, die kühlt, haben bei der ayurvedischen Ernährung eine bedeutende Rolle. Zusätzlich bestimmen drei Grundqualitäten den Menschen. Sattwa (das Prinzip von Licht, Wahrnehmung, Intelligenz und Harmonie), Rajas (das Prinzip von Energie, Aktivität, Emotion und Turbulenz) und Tamas (das Prinzip von Trägheit, Dunkelheit, Stumpfheit und des Widerstandes).

Die sieben Dhatus umfassen unsere unterschiedlichen Körpergewebe und die fünf Pranas sind Energiezentren in unserem Körper, aus denen wir unsere Lebensenergie beziehen.

Im Ayurveda sind die Grenzen zwischen Heilmittel und Nahrungsmittel fließend. So gelten Nahrungsmittel schlechthin als Heilmittel und für die Gesundheit ist eine richtige Ernährung unerlässlich.

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