Naturheilpraxis - Ausgabe 10/2002
Osteopathie in der frühen Kindheit
von Torsten Liem

Einleitung

I love my fellowman, because I see god in their faces and in their forms.
A.T.Still


Eine Vielzahl von prä-, peri- und postnatalen Umständen können zu einer Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung führen und sich über das gesamte Leben auswirken. Die Osteopathie ist in der Lage, durch eine bewusst ausgeführte Palpation eine Harmonisierung in den anormalen Spannungsmustern des Gewebes zu erzielen und dadurch auch Einfluss auf den Gesamtorganismus und seine Entwicklung auszuüben.

Behandlung
... Dadurch kann sich ein neuer therapeutischer Gleichgewichtszustand etablieren, der das „suspended automatic shifting fulcrum“* (Liem, T. 2001), das heißt das Funktionieren eines gesunden Systems kopiert. Die inhärenten homöostatischen Kräfte werden durch dieses neu etablierte Fulcrum in die Lage versetzt, die anormalen Spannungsverhältnisse in einen freieren Gleichgewichtszustand umzuwandeln. Die Kräfte, die durch das anormale Spannungsmuster gebunden waren, werden freigesetzt und fügen sich wieder in das physiologische Agieren des Organismus ein und eine Neuorientierung zur „midline“ (Mittellinie) des Organismus ist palpabel.

*„suspended automatic shifting fulcrum“ bezeichnet einen Ruhe- bzw. Orientierungspunkt, der beweglich/schwebend aufgehängt (Suspension) ist, um sich automatisch bewegen (automatic shifting) zu können. Im Gegensatz zu dysfunktionelle Fulcrum sind alle natürlichen Fulcrum im Organismus dazu in der Lage, um auf externe und interne Ereignisse, sowie kontinuierliche rhythmische Impulse dynamisch reagieren zu können. Sutherland wählte diesen Ausdruck zum Beispiel für einen funktionellen Bereich im Verlauf des Sinus rectus. Dieses Fulcrum stellt einen beweglichen Ruhepunkt für die reziproke Spannungsmembran (Dura mater) im Schädel und Rückenmarkskanal dar.

Hierbei findet meist ein 3 Phasen Prozess statt (Becker 1965):
  1. Zunächst bewegen sich die beteiligten Energiefelder und Gewebe in Richtung eines „Point of balance“, eines Gleichgewichtspunktes oder Gleichgewichtszustandes.
  2. Es entsteht eine Art funktioneller Stillpunkt, in dem alle Bewegungen scheinbar zur Ruhe kommen. In dieser Phase vollzieht sich eine Änderung in der „potency“, „something happens“.
  3. Bewegung wird wieder palpierbar und das dysfunktionelle Muster hat sich in Richtung Normalisierung verändert.
"Der 'point of balance' in der Membranspannung ist definiert als der Punkt im Bewegungsausmaß einer Gelenkverbindung, an dem die Membranen sich im Gleichgewicht befinden. Dieser Punkt befindet sich zwischen der normalen Spannung, sichtbar im freien Bewegungsausmaß, und der erhöhten Spannung als Folge von Zerrungen und Fixationen... Folglich ist es die bestmögliche neutrale Position unter dem Einfluß aller Faktoren, die für die bestehenden Muster verantwortlich sind." (Magoun, H. I., 1976, S 99)

Der neue, therapeutisch entstandene „point of balance“ ist nicht nur Teil der lokalen Auflösung von zugrunde liegenden Spannungen, sondern steht gleichzeitig auch in Beziehung zu den gesamten im Organismus wirkenden Kräfteverhältnissen, die lokale und globale homöostatische Prozesse aufrechterhalten müssen. Deshalb bedeutet die Etablierung eines „point of balance“ auch nicht notwendigerweise eine völlige Rückkehr in ein absolutes ideales Gleichgewicht, eine völlige Gesundheit und Auflösung aller Symptome, sondern in das zur Zeit bestmögliche Gleichgewicht.

Entsprechend zu der Etablierung eines Fulcrum und eines „point of balanced membranous tension“ kann auch ein therapeutischer „point of balance“ in der Fluida eingestellt werden. Sutherland wies darauf hin, auch das Fulcrum, den „Stillpunkt“ in den Fluktuationen des LCS wahrzunehmen und die reziproke Spannungsmembran ebenso wie die Fluktuation der Flüssigkeit im „balance point“ zu halten (Sutherland 1967).

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